Afrika im Bode-Museum:

Weibliche Macht: Starke Frauenbilder aus Afrika und Europa

Zwei Frauenskulpturen, die aus Florenz und aus dem Königreich Benin stammen, stehen sich im Rahmen der Ausstellung „Unvergleichlich: Kunst aus Afrika im Bode-Museum“ gegenüber. Die Art der Gestaltung verrät viel über die Kultur und das Rollenverständnis der jeweiligen Gesellschaft.

Text von Karolin Korthase

Anmutig und würdevoll schaut sie in die Ferne. Ihr Alter ist schwer zu schätzen. Sie erscheint weder jugendlich noch alt, sondern zeitlos. Ihr Haupt ziert eine aufwändige spitze Krone, um ihren Hals sind unzählige Perlen geschlungen, ihr Kopf thront auf einem Sockel, auf dem Fische ihre Kreise ziehen. Ohne Zweifel: Bei dieser Büste aus gegossenem Metall, die aus dem Königreich Benin stammt, kann es sich nur um eine Königinmutter handeln, eine sogenannte iyoba.

Das politische Amt der iyoba wurde in Benin, dem heutigen Nigeria, ausschließlich von Frauen ausgeübt. Sie waren den männlichen Würdenträgern mindestens gleichgestellt oder ihnen sogar überlegen. Könnte die Skulptur vielleicht eine Darstellung der historischen Person der Idia sein? Sie rettete das Königreich Anfang des 16. Jahrhunderts vor Invasoren, indem sie eine mächtige Armee aufstellte, und wurde dafür von ihrem Sohn, dem Oba (=König) Esigie (1504–1550), mit dem Titel iyoba belohnt.

Gedenkkopf einer Königinmutter, Benin, 17. Jh. (c) Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum / Jürgen Liepe
Gedenkkopf einer Königinmutter, Benin, 17. Jh. (c) Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum / Jürgen Liepe

Oder zeigt die Büste einer ihrer Nachfolgerinnen? Das kann heute nicht mehr eindeutig rekonstruiert werden. Die Büste stand ursprünglich auf einem königlichen Gedenkaltar. Im Zuge der Eroberung und Plünderung von Benin City durch die Briten 1897 wurde sie wie viele andere Objekte entwendet und nach London gebracht. Von hier gelangte sie über den Kunsthandel nach Berlin. Da die Briten die ursprüngliche Aufstellung nicht dokumentiert hatten, fällt es heute schwer, die dargestellte Person zweifelsfrei zu identifizieren. Fest steht jedoch: Die Schönheit und Anmut der Skulptur ist untrennbar mit dem Amt der iyoba verbunden, dass die Porträtierte ausübte.

Im Bode-Museum wird der Metallbüste aus Benin, die wahrscheinlich um 1600 entstand, eine Marmorskulptur aus Florenz aus dem Jahr 1462 gegenübergestellt. Bei der Porträtierten handelt es sich wahrscheinlich um Marietta Strozzi, die zur wohlhabenden Florenzer Familie der Strozzi – einst Rivalen der berühmten Medici – gehörte. Zweifelsohne wirkt auch diese Frauendarstellung anmutig und würdevoll. Der entschlossene und durchdringende Blick der iyoba allerdings fehlt der Florentiner Dame. Der Anlass, zu dem die Skulptur gefertigt wurde, ist unbekannt.

Desiderio da Settignano: Büste der Marietta Strozzi (1460 - 1464); (c) Staatliche Museen zu Berlin, Skulpturensammlung / Antje Voigt
Desiderio da Settignano: Büste der Marietta Strozzi (1460 – 1464); (c) Staatliche Museen zu Berlin, Skulpturensammlung / Antje Voigt

Üblicherweise wurden zur Zeit der italienischen Renaissance Frauenbildnisse vor allem in Auftrag gegeben, um eine Verlobung oder Hochzeit zu feiern. Auch Gedenkkunstwerke, die nach dem Tod der Porträtierten entstanden, waren weit verbreitet. Auffällig ist, dass es in der Darstellung der jungen Florentiner Dame primär darum zu gehen scheint, ihre weibliche Schönheit zu inszenieren und sie als begehrenswertes Objekt zu zeigen. Männer konnten mit Skulpturen ihrer Ehefrauen und Töchter dynastische Ambitionen verdeutlichen und zeigen, dass die Verbindung zu ihnen standesgemäß war.

Was hätten sich die zwei Frauen aus Benin und aus Florenz wohl zu sagen gehabt, wenn sie sich begegnet wären? Wahrscheinlich eher wenig – zu unterschiedlich waren ihre Frauenrollen in der jeweiligen Kultur. Zwar gab es auch im Italien der Renaissance einflussreiche Frauen aus adeligen Verhältnissen, doch an die Macht der Männer reichten sie nie heran. Ein wenig anders sah es im Königreich Benin zur damaligen Zeit aus. Zumindest die Königinmutter war und ist hier bis heute eines der machtvollsten politischen Ämter. Die iyoba-Büste im Bode-Museum bezeugt das eindrücklich – im Gegensatz zur Florentiner Adeligen repräsentiert sie nicht die Ambitionen anderer, sondern vor allem ihre eigenen.

Die Ausstellung „Unvergleichlich: Kunst aus Afrika im Bode-Museum“ läuft bis auf Weiteres im Bode-Museum und ist Teil des Transformationsprozesses „Auf dem Weg zum Humboldt Forum„.

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