Vegetation in ägyptischer Landschaft und Architektur
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Die Flora und Fauna in Ägypten begeisterte die Teilnehmer einer preußischen Expedition in den 1840er Jahren. Anne Grischek, studentische Hilfskraft am Ägyptischen Museum, hat in den Unterlagen der Expedition nach Spuren gesucht.
Text: Anne Grischek
Der antike griechische Geschichtsschreiber Herodot nannte Ägypten ein Geschenk des Nils. Der über 6500 Kilometer lange Strom ernährt seit Jahrtausenden Pflanzen, Tiere und Menschen. Über die abwechslungsreiche Vegetation staunte ein preußisches Expeditionsteam unter der Leitung des frühen Ägyptologen Richard Lepsius staunte in den Jahren 1842 bis 1845 auf seiner Reise vom Nildelta nach Süden bis tief in den heutigen Sudan. Ihre Beobachtungen der Landschaft und Pflanzen hielten sie in Tagebüchern und Briefen fest (Abb. 1–4).
So findet sich in den Aufzeichnungen des Architekten und Landvermessers Georg Erbkam zur Fayum-Region die Bezeichnung als „Garten Ägyptens“, wo „das fahlere Grün der Ölbäume … mit dem lebendigeren der Limonie, der Aprikosen, Pfirsiche und Pflaumen“ konkurriert. Weiter südlich, in Mittelägypten, notiert er: „Wir sind jetzt seit Assiut schon in der Gegend der Krokodile … Auch eine andre Art Palme, die Dhom- oder Dhumpalme, die mehr kreisförmige, gefächerte Blätter hat, wechselt jetzt schon mit der älteren, gewöhnlichen, aber schöneren Dattelpalme.“ In Assuan, an der historischen Südgrenze zwischen Ägypten und Nubien, heißt es: „Der Nil wird dann und wann wieder von grünen Inseln durchbrochen, die Ufer sind freundlich mit Palmen, Akazien und Durrhafeldern besetzt, welche Letztere von eintönig knarrenden Schöpfwerken bewässert werden.“
Auch auf der „Gedächtnisstele“ für den Expeditionsleiter Richard Lepsius (Abb. 5), einer Zeichnung von Otto Georgi mit Randtext von Georg Erbkam, findet die ägyptische Vegetation in Wort und Bild Erwähnung: „Als Repräsentanten ägyptischer Zonen / zwei Dattelpalmen mit schattigen Kronen / und hinter ihnen als ihre Genossen / sind Fächerpalmen dem Boden entsprossen, / um dich zu erinnern bei ihrem Bilde / an des fernen Nubiens weite Gefilde.“
Doch das Georgi-Bild enthält noch mehr Spielereien: Vor den besagten Dattel- und Fächerpalmen ist eine Säule verewigt, die passenderweise gerade von dem Architekten Erbkam vermessen wird. Ihr Kapitell hat die Form einer geöffneten Papyrusdolde. Außerdem bilden links und rechts je zwei Pflanzensäulen mit einem geschlossenen Lotus- bzw. einem geöffneten Lilienkapitell den auf die ägyptische Architektur anspielenden Rahmen der Zeichnung mit Erbkams Randtext bilden (Abb. 6).
Die Expeditionsteilnehmer bilden damit ab, was ihnen bei ihrer professionellen Arbeit in Gräbern und Tempeln begegnete: Einzelne Pflanzenmotive sind in der altägyptischen Architektur allgegenwärtig. So lassen einige Kapitelle der Pflanzensäulen Blüten des weißen ägyptischen Lotus erkennen, andere stellen Lilienblüten, Papyrusdolden (wie in Georgis Zeichnung) oder Kronen der Dattelpalme dar (Abb. 7). Die Blüten können als geschlossene Knospen gestaltet sein oder in offenem Blütenstand (Abb. 8+9). Pigmentreste an den Säulen helfen neben der Form bei der Identifikation bestimmter Pflanzentypen und bezeugen zudem die unglaubliche Farbenpracht, in der die Tempelarchitektur einst erstrahlte.
Papyrus und Lotus, sowie weitere Pflanzen, finden sich wiederum nicht nur in der Baukunst selbst, sondern auch in ihrer Dekoration. Sogar in der Hieroglyphenschrift geben sie Laute und Worte der ägyptischen Sprache wieder, in Bildern stellen sie Teile altägyptischer Lebenswelten und Glaubensvorstellungen dar (Abb.10).
Der Architekt Erbkam ist natürlich in erster Linie von den verschiedenen Formen der Stützelemente in den Tempelbauten fasziniert, die überwiegend als Bäume und Blüten gestaltet sind. Er zeichnet und studiert sie akribisch sogar in der spärlichen Freizeit neben seinen sonstigen Aufgaben. Seine Zusammenstellungen der pflanzenartigen Säulenkapitelle wurden in der Publikation der Expeditionsergebnisse „Denkmaeler aus Aegypten und Aethiopien“ veröffentlicht und gehören zu den farbenfrohesten Tafeln, die mit am häufigsten von nachfolgenden Forscher*innen als Abbildungen reproduziert wurden. Seine Skizzen und Zeichnungen zu den ägyptischen Pflanzensäulenformen finden bis heute als umfangreiche Basis für Ägyptologie und Bauforschung Verwendung. Seine Säulenzeichnungen aus dem Ramesseum (Abb. 9), einem Tempel für den Königskult Ramses II. in Theben-West, dienten später sogar als Vorlage für die Gestaltung des Säulendekors im Ägyptischen Hof des Königlichen Museums zu Berlin.
Abb. 7: Verschiedene Typen von Säulenkapitellen auf Philae nach Georg Erbkam. Aus: Lepsius, Denkmäler I, Bl. 108.
Eine der gezeichneten Säulen hat es in Teilen bis nach Berlin geschafft. Eine ursprünglich vor dem Isis-Tempel in Philae, südlich von Assuan, stehende Palmsäule wurde von Georg Erbkam und dem Expeditionsleiter Richard Lepsius für die ägyptische Ausstellung ausgewählt, ihr oberer Teil abgebaut und verschifft (Abb. 11+12). Ihr Kapitell ist als Dattelpalmkrone mit hochgebundenen Blättern ausgearbeitet. Am unteren Ansatz der Palmwedel sind die doldenartigen Fruchtstände mit kleinen Datteln zu erkennen, gefolgt von drei Reihen von Dreiecken, die die abgeschnittenen dreieckigen Palmrippen naturalistisch wiedergeben.
Darunter folgen fünf Streifen unklarer Bedeutung, die seit frühester Zeit ein Dekorelement ägyptischer Säulen sind. Das darunter liegende dreifache Wellenmuster stellt wiederum die naturalistische Ansicht von abgetrennten Blättern dar, die bei alten Palmen in diesem Muster verwachsen. Auf dem Sandstein sind noch heute Farbreste in Blau-, Grün- und Rottönen erhalten. Diese Säule eröffnet im Griechischen Hof im Neuen Museum die Sonderausstellung über die abenteuerliche Reise der königlich preußischen Expedition an den Nil und wird nach rund 80 Jahren zum ersten Mal wieder gezeigt.
Abb. 8: Geöffnete vs. geschlossene Papyrusdolde als Säulenkapitell. Aus: Lepisus, Denkmäler I, Bl. 81.
Abb. 11: Detail der Berliner Säule aus der Westkolonnade des Isis-Tempels von Philae. Aus: Lepisus, Denkmäler I, Bl. 108.
Abb. 12: Säulen der Westkolonnade im Isis-Tempel von Philae mit dem Berliner Exemplar in der Mitte. Aus: Lepsius, Denkmäler I, Bl. 107.
Die Geschichte der Ägyptenexpedition von 1842-1845 steht im Mittelpunkt der Sonderausstellung „Abenteuer am Nil. Preußen und die Ägyptologie 1842-45“ des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung, die vom 15.10.2022 bis 7.3.2023 im Neuen Museum gezeigt wird. Alle weiteren Infos dazu auf der Webseite zur Ausstellung.
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