Zehnerpack: Donatello als Erfinder der Renaissance
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Donatello gilt als Ausnahmekünstler und in Berlin als einer der „Erfinder der Renaissance“. Doch was macht den italienischen Bildhauer so besonders? An zehn Beispielen lässt sich zeigen, wie innovativ Donatello war.
1. Pionier der Perspektive
Zu Donatellos Zeit, Anfang des 15. Jahrhunderts, ist die zentralperspektivische Darstellung, die auf mathematischen Regeln beruht, ein völlig neues Mittel, um überzeugende Bildräume zu konstruieren. Soweit wir wissen, ist es Donatello, der sie zum ersten Mal in einem Relief verwendet. Dabei geht es um die Plausibilität dessen, was wir sehen: Eine Theorie wird in das Konkrete, das Bildhafte übertragen, der Betrachterstandpunkt in einem Raum außerhalb des Dargestellten definiert. Dadurch treten wir in einen neuen Bezug zum Gesehenen, das uns von seiner Wahrscheinlichkeit überzeugen kann. Besonders gut lässt sich diese Innovation an der Pazzi-Madonna zeigen: Die perspektivische Nische, die Maria mit ihrem Kopf überschneidet, dient dazu, einen dreidimensionalen Raum anzudeuten, der das zärtliche Motiv von Mutter und Kind umschließt – dass dem Künstler dies auf nur wenigen Zentimetern Tiefe gelingt, sieht man am besten, wenn man das Relief auch von der Seite betrachtet.
2. Raffinierte Flachreliefs
Mit dem Flachrelief beschäftigt sich der junge Donatello intensiv und perfektioniert so auch die Technik der Marmorbearbeitung, für die er berühmt werden wird: Auf wenigen Zentimetern bis Millimetern entstehen Kunstwerke, die unseren Blick zwischen dem Bild und der Skulptur hin- und herwandern lassen. Es ist ein Spiel mit der Illusion, mal wirken die zarten Linien wie eine Zeichnung, mal die Formen durch das raffinierte Schattenspielwie in den Stein gepresst. Im Streiflicht verdeutlichen die kleinformatigen Marmorreliefs aus dem Victoria and Albert Museum in London und dem Museum of Fine Arts in Boston die Präzision dieser revolutionären Technik, die Donatellos Zeitgenossen und nachfolgende Generationen gleichermaßen verblüfft hat.
3. Reproduzierbare Kunstwerke
Donatello experimentiert mit neuen Materialien. Während seines Aufenthalts in Padua, wo er einige der bemerkenswertesten Bronzebildwerke des 15. Jahrhunderts schafft, beschäftigt er sich wohl auch mit der Reproduzierbarkeit von Glas, dessen Anwendung in den nahegelegenen Werkstätten von Murano weiterentwickelt wurde. Eine bronzene Schale mit einer vergoldeten Maria mit Kind, umgeben von Engeln ist zugleich eine Form, mit der sich das Andachtsbild in Glas reproduzieren lässt. So zumindest lautet der Bericht von Donatellos Arzt Giovanni Chellini, dem der Künstler das Rundbild zum Dank für eine erfolgreiche Behandlung um 1456 schenkt. Dass die Bronze tatsächlich für Glasguss verwendet wurde, ist aus technischer Sicht fraglich; ein faszinierendes Objekt und Zeugnis des Ideenreichtums des Künstlers ist die Chellini-Madonna trotzdem.
4. Meister der Variation
In Donatellos Werk gibt es zahlreiche Madonnen – eine Maria mit dem Jesuskind – nicht ungewöhnlich in einer Zeit, in der dieses Thema auch zur privaten Andacht weit verbreitet war. Umso interessanter wird die Masse an eigenhändigen, zugeschriebenen, kopierten und variierten Bildern, da jede einzelne von ihnen, die Donatello und seiner Werkstatt selbst zugeschrieben wird, immer ein bisschen anders gestaltet ist. Ob durch Variationen in der Haltung, Details, farbige Fassungen oder die Verwendung besonderer Materialien wie Glas und Wachs: stets probieren der Künstler uns seine Werkstatt Neues und schaffen so Bilder, die für einen besonderen Auftrag angepasst werden können. Zu dieser Zugänglichkeit der Reproduzierbarkeit durch Variation passt auch, dass Donatellos berühmte Kompositionen in verschiedenen Materialien und Größen wiederholt und schon Zeitgenossen in andere Medien übertragen werden.
5. Wiederentdeckung der Bronze
Eine Technik, die in der Renaissance neu entdeckt und weiterentwickelt wird, ist der Bronzeguss. Zwar ist die Technik auch im Mittelalter bekannt, ihr Einsatz für großformatige Skulpturen und die Wertschätzung ihres Entwerfers war in diesem Ausmaß seit der Antike nicht mehr gesehen. Donatello widmete sich der Technik intensiv und die Ergebnisse waren oft nicht perfekt: Wir sehen Gussfehler und Unregelmäßigkeiten in einer Technik, die in der Mitte des 15. Jahrhunderts in Florenz an ihre Grenzen stößt. Das Material wurde sehr geschätzt, wie Donatellos Werke für private und öffentliche Auftraggeber zeigen. In Konkurrenz mit den Meistern der Antike sind es insbesondere die charakteristische dunkle Farbe und die Kombination mit anderen Materialien sowie umfangreiche Nachbearbeitungen, die den Werken ihren einzigartigen Charakter verleihen.
6. Kostbare Einlegearbeiten
In mehreren Bronzebildwerken überraschen Einlegearbeiten in Gold und Silber, wie etwa im Eselswunder aus der Antoniusbasilika in Padua oder in der Martelli-Kreuzigung aus dem Museo Nazionale del Bargello. Das Metall wird in die Bronze eingelegt und lässt sie so besonders kostbar erscheinen. Auch in Materialien wie Terrakotta findet sich dieses Dekorationselement: in der Piot-Madonna aus dem Louvre etwa sind Wachsmedaillons hinter Glas eingesetzt, die ganze Komposition ursprünglich vergoldet und mag einst wie eine kostbare Goldschmiedearbeit gewirkt haben.
7. Experimente in Terrakotta
Ton ist ein weiches, formbares Material, das eine große Freiheit bei der Formfindung, dem Modellieren, ermöglicht. Anders als im Marmor kann der Künstler aufbauen, formen, korrigieren. Donatello verwendete es für seine Kunstwerke; grob bearbeitete und schnell geformte Partien unterstreichen den oftmals skizzenhaften Charakter, der Schritt zum bozzetto (Skizze) in Ton ist nicht weit. Die fast malerische Bearbeitung der Oberfläche lässt sich besonders gut an solchen Terrakotten beobachten, die ihre Bemalung verloren haben und heute monochrom erscheinen. Ähnlich wie Holzskulpturen waren sie meist aber bemalt, um ihnen eine lebensnahe Wirkung zu verleihen. Die Betrachter zur Zeit von Donatello hätten diese Bearbeitungsspuren unter einer Grundierung und Farbschicht allerdings nicht so deutlich sehenn können wie wir heute.
8. Emotionen in Marmor
Marmorbearbeitung wird für den bei einem Goldschmied ausgebildeten jungen Donatello eine verlockende Herausforderung gewesen sein. Durch die Arbeit mit Stein erlernt er die überzeugende Darstellung von Proportionen und Volumen in großem Format, die auch seine Terrakotten entscheidend prägen wird. Im Laufe seiner Karriere wird auch der Ausdruck von Emotion als Spiegel der inneren Verfasstheit immer wichtiger, auch wenn Donatello wohl nie selbst echte Porträts geschaffen hat. Dass den Figuren nur die Fähigkeit zu sprechen fehle, um vollends lebensnah zu sein, hat etwa der italienische Architekt und Hofmaler der Medici, Giorgio Vasari, im 16. Jahrhundert fasziniert festgestellt.
9. Blicke in die Vergangenheit
Wie viele seiner Zeitgenossen blickte auch Donatello auf die Antike. Architektur, Einzelmotive und Statuetten inspirierten den Künstler und finden sich immer wieder in Zitaten und Bildformen, die Donatello „neu erfindet“: So entlehnt er die kleinen Geister (Spiritelli) der antiken Grabplastik, die er in Rom studiert hatte. Nackt und geflügelt, wild und verschmitzt lässt er sie in den verschiedensten Kontexten als neckische Kommentatoren oder Protagonisten auftreten. Auch die ausdrucksvolle Darstellung von Physiognomie, die Donatello wohl nie bis ins echte Porträt übertrug, mag er in antiken Porträtbüsten studiert haben. Zwischen Idealisierung und Charakterstudie werden seine Schöpfungen zum Typus für die Porträtbüste der Florentiner Renaissance.
10. Das Unvollendete als Prinzip
Das Unvollendete wird nicht erst bei dem berühmten italienischen Bildhauer Michelangelo zum Teil des gestalterischen Ausdrucks; in Donatellos Spätwerk wird es zu einem Kunstgriff: Er dient der inhaltlichen Steigerung, etwa, wenn in der skizzenhaften Andeutung von Gesichtszügen der Ausdruck von Emotionen gesteigert wird oder Unkenntlichkeit mit Verdammung gleichgesetzt wird (etwa in der Martelli-Kreuzigung aus dem Museo Nazionale del Bargello). Die spätere Wertschätzung dieses formalen Experiments zeigt sich auch in der – zugegebenermaßen – unfreiwilligen Nicht-Vollendung des David aus der National Gallery in Washington, der für die FlorentinerPatrizierfamilie der Martelli begonnen wird und unvollendet bleibt. Dennoch gelangt er als Werk Donatellos in die Sammlung der Martelli, wo sich der junge Humanist Ugolino Martelli um 1540 von Bronzino mit ihm malen lässt.
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