Zum Internationalen Frauentag am 8. März zeigen uns die Mitarbeiterinnen unserer Sammlungen ihre Lieblingswerke von Künstlerinnen. Und erzählen von starken Frauen, rätselhaften Biografien und großem Durchhaltevermögen.
Eine buchstäblich in Leidenschaft „entflammte“ Frau. Eine zweite in der Rolle der bewundernden Voyeurin. Dieses kleine surreale Gemälde von 1939, aktuell in der Ausstellung „Die Kunst der Gesellschaft“ zu sehen, ist eines der Lieblingswerke von Irina Hiebert Grun, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Neuen Nationalgalerie. Warum? Sowohl die hinter dem Bild stehende Geschichte, als auch die dargestellte Szene ist mehr als rätselhaft. In „Zwei Frauen“ schreitet eine androgyne, hochgewachsene Frau graziös durch eine karge Landschaft. In ihre üppige Haarpracht sind brennende Kerzen eingesetzt. Beobachtet wird sie von einer zweiten Frau, die vor einer frei stehenden Tür kniet und durch das Schlüsselloch späht. Signiert ist das Werk mit dem Namen Leonor Fini, jahrelang wurde das Bild auch der italienischen Surrealistin zugeschrieben.
Die unangepasste Fini arbeitete in ihren Werken ein alternatives weibliches Identitätsmodell heraus: Die von ihr dargestellten Frauen erscheinen als sinnliche und allmächtige Wesen, als Nymphe, Priesterin oder Sphinx. Oft stellte sie auch zwei entgegengesetzte Frauentypen dar, die in einer ambivalenten, zwischen Rivalität und Erotik wechselnden Beziehung zueinanderstehen, wie eben in „Zwei Frauen“ zu sehen. Spät in ihrem Leben behauptet die Künstlerin jedoch, das Bild sei nicht von ihrer Hand. Kuratorin Irina Hiebert Grun findet, „es ist also eine offene, spannende Frage welche Geschichte hinter dem Werk steht.”
Das Lieblingswerk von Dagmar Hirschfelder, Direktorin der Gemäldegalerie, ist ein Porträt von Sofonisba Anguissola. Nur wenige Künstlerinnen des 16. Jahrhunderts sind heute noch namentlich bekannt. Umso bemerkenswerter ist die Karriere der 1532 im italienischen Cremona geborenen Malerin Anguissola. Sie machte sich schon früh einen Namen als Porträtmalerin der spanischen Königsfamilie. Mit 25 Jahren schuf sie das in der Gemäldegalerie bewahrte Porträt ihrer Mutter Bianca Ponzoni Anguissola. Selbstbewusst signierte und datierte sie es unterhalb der Stuhllehne. Bianca entstammte wie ihr Ehemann Amilcare Anguissola einer adligen Familie Cremonas. Das Paar ermöglichte seinen sechs Töchtern sowohl eine humanistische Bildung als auch eine Ausbildung. So wurde Sofonisba zu einer der erfolgreichsten Malerinnen des 16. Jahrhunderts.
Das Gemälde besticht durch die brillante Wiedergabe verschiedener Stofflichkeiten und durch das exklusive Kolorit in Gold-, Braun- und Weißtönen, von denen sich der lebendige Hautton der Dargestellten wirkungsvoll abhebt. Die kostbare Kleidung und der reiche Perlen- und Juwelenschmuck verdeutlichen den hohen gesellschaftlichen Rang Biancas. In der linken Hand hält sie ein Zobelflohfell als modisches Accessoire. Es sollte Flöhe anziehen und diese so daran hindern, ihre Trägerin zu beißen. Besonders fasziniert Dagmar Hirschfelder „die ausdrucksstarke Charakterisierung der Dargestellten, die sich uns in aufrechter Haltung und mit wachem, selbstbewusstem Blick zuwendet. Ihr schönes Gesicht wirkt so lebendig und individuell, als könnten wir mit ihr sprechen. Wie mag diese Frau gelebt haben, die sieben Kinder aufzog und ihre Töchter zu einer Karriere ermutigte, die in der Regel Männern vorbehalten blieb?”
Yvette Deseyve stellt dieses kleine, aber dafür umso interessantere Werk ins Licht der Öffentlichkeit: für die Kuratorin der Alten Nationalgalerie und Friedrichswerderschen Kirche haben die zwei winzigen Genrestatuetten Katharina Felders „eine große bildhauerische Kraft”. Über Umwege gelangte Felders, eine 1816 in Voralberg geborene Bauerntochter, zur Bildhauerei. Finanziell unterstützt durch eine Mäzenin, wurde Felder der Malerin Marie Ellenrieder vermittelt, die sich als erste Frau regulär an der Münchner Kunstakademie immatrikulieren konnte und als beachtete badische Hofmalerin reüssierte. Bei ihr konnte Katharina Felder ihre Fähigkeit im Zeichnen weiterentwickeln, aber auch wichtige Kontakte knüpfen. Über Susanne Schinkel, die Ehefrau des Architekten Karl Friedrich Schinkel, gelangte Felder nach Berlin, erhielt im Hause Schinkel Kost und Logis.
Die Bildhauerin entwarf in ihrer Berliner Zeit die beiden heute in der Friedrichswerderschen Kirche ausgestellten Statuetten eines Bauernjungen mit Hund und Zither sowie eines Bauernmädchens mit Rosenkranz. Die Statuetten sind gekennzeichnet von einer minutiösen Gusstechnik und unfassbar feinteiligen Modellierung. Felder gelingt es mit dieser bildhauerischen Gestaltung, das Miniaturformat komplett zu ignorieren. Besonders spannend ist für Yvette Deseyve, „dass die kleinen Gipsstatuetten im Rahmen einer Künstlerinnenausstellung im Depot „wiedergefunden” wurden und dann zu einer faszinierenden Recherche zu der bis dato fast unbekannten Bildhauerin geführt haben.”
Selbst ist die Frau: ein Hochzeitskleid für die Ewigkeit
Ein Objekt das Sofia Botvinnik, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Museum Europäischer Kulturen (MEK), sehr fasziniert ist das Hochzeitskleid von Emma Schier. Als die Berlinerin Emma Schier, geborene Hanack, am 3. April 1916 Friedrich Schier heiratete, wütete gerade der erste Weltkrieg. Ihr elegantes Hochzeitskleid aus Seidentaft hatte die gelernte Näherin selbst geschneidert und ihr Glück damit selbst in die Hand genommen. Das champagnerfarbene Kleid trug Schier mit einem bodenlangen Schleier, einem immergrünen Myrtenkranz und kleinen Myrtenzweigen am Ende der Schleppe. Die immergrüne Myrte stand symbolisch dafür, dass auch die Liebe zwischen dem Brautpaar von Dauer sein sollte.
Emma Schier bewahrte diese und viele weitere Erinnerungsstücke ihr ganzes Leben lang auf. Nach ihrem Tod ging ein Teil ihres Nachlasses in die Sammlung des MEK über. Für Sofia Botvinnik ist das Objekt sehr spannend, „weil es das Besondere im Alltäglichen zeigt: Vielleicht ist es nur ein Brautkleid unter vielen, aber dieses Kleid steht für einen einzigartigen Tag im Leben von Emma Schier. Es gibt nicht nur Aufschluss über die Mode der Zeit, sondern auch darüber, was vor hundert Jahren für eine Frau in Berlin-Moabit so wichtig war, dass sie es bis zu ihrem Lebensende aufbewahrte.“
Ein Holzschnitt zu Geschlechterfragen
Hochinteressant für Jenny Graser, Kuratorin im Kupferstichkabinett, ist der Holzschnitt der zeitgenössischen Künstlerin Ester Fleckner. Die 1983 in Dänemark geborene bildende Künstlerin arbeitet mit Queer- und Trans-Abstraktionen. Sie erkennt im Scheitern wie auch im Unvollendeten, die beide häufig negativ wahrgenommen werden, etwas Positives und gelangt auf intuitive Weise zu neuen Wegen des Erkenntnisgewinns. Die Künstlerin arbeitet hauptsächlich mit dem Holzschnitt, einer einfachen, langsamen und sehr physischen Drucktechnik, die Unterschiede, Fehler und einen gewissen Kontrollverlust zulässt. Für Jenny Graser ist Fleckners Werk “Woodbeds, brimming (more)” von 2020 besonders bedeutsam, weil es “aktuelle Diskussionen zu Geschlechterfragen aufgreift und zugleich von einer sehr starken Künstlerin stammt”. Der Holzschnitt zeigt eine unzählige Male wiederholte geometrische Form, die zu parallel verlaufenden Reihen zusammengesetzt ist. Dafür schnitt Fleckner diese Form wieder und wieder aus einem Holzblock. Das Holz ist jedoch widerständig und macht es unmöglich, ein und dieselbe Form exakt zu wiederholen. Jedes Modul ist eigen, so wie auch jeder Mensch unabhängig von Geschlechtszuschreibungen einzigartig ist. Mit ihrer abstrakten Ästhetik arbeitet die Künstlerin gegen normative Tendenzen.
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